Virales Marketing

Juli 18, 2006

Welches Unternehmen kennt das Problem nicht? Bei der Schaltung klassischer Werbung begegnet man häufig hohen Streuverlusten bei gleichzeitig steigenden Werbekosten. Zudem beschäftigen sich die Konsu­menten in der Regel nur wenige Sekunden mit der Werbebotschaft eines Unternehmens und besitzen nicht selten eine starke Abwehrhaltung gegen die auf sie einwirkende Werbeflut.

Auf der Suche nach alternativen Werbeformen stößt man nicht selten auf den Begriff des "Viral Marketing". Grundidee ist, dass Unternehmen gezielt einen Weiterempfehlungsprozess zwischen Konsumenten im Internet initiieren und im Erfolgsfall eine exponentielle Verbreitung ihrer "getarnten" Werbebotschaft (z.B. integriert in einem lustigen Film oder PC-Spiel) erreichen, da Konsumenten diese freiwillig und aktiv in ihrem sozialen Netzwerk weitergeben: Nachdem das Unternehmen einzelne Konsumenten mit seiner Werbebotschaft erfolgreich "angesteckt" hat, "infizieren" diese über Emails, Foren, Chats etc. und auch Mund-zu-Mund-Propaganda andere Konsumenten, die dann wiederum ihre sozialen Kontakte "anstecken".

Wenn eine virale Marketingkampagne optimal gestaltet wurde, bietet diese Art von "Werbung" Unternehmen eine ganze Reihe wertvoller Vorteile gegenüber klassischer Werbung:

Da das Weiterleiten der Werbebotschaft auf Freiwilligkeit basiert, fühlen sich die Konsumenten nicht so bedrängt und ihre "Immunschwelle" gegen Werbung kann überwunden werden. Außerdem wird eine höhere Glaubwürdigkeit der Werbebotschaft empfunden, wenn statt einem Unternehmen, ein Freund der Absender ist. Es findet zudem eine aktivere und in der Regel auch längere Auseinandersetzung mit der Botschaft des Unternehmens statt. Die Werbung wird insgesamt stärker verinnerlicht und besser behalten.

Eine gelungene virale Marketingkampagne zeichnet sich außerdem durch geringere Streuverluste aus, da die Konsumenten in der Regel die Werbebotschaft nur selektiert an die User weiterleiten, von denen sie glauben, dass diese Interesse daran haben könnten.

Die entscheidende Frage ist nun: Wie gestaltet man eine virale Marketingkampagne erfolgreich und realisiert die dargestellten Vorteile?

Absolute Grundvoraussetzung für den Erfolg ist, dass der "Marketingvirus" ansteckend sein muss. Individuen leiten die Werbebotschaft an ihre Verwandten, Freunde und Bekannte weiter, um diese an ihrer Begeisterung teilhaben zu lassen. Gleichzeitig wertet das Weiterleiten das Selbstwertgefühl des Senders auf und macht ihn wichtiger für sein soziales Netz­werk. Die Empfänger "bewundern" ihn dafür, dass er das Kampagnengut entdeckt hat, aufgrund des "Geheimtipps" steigt sein Ansehen.

Eine zentrale Herausforderung für Unternehmen besteht daher darin, einen neuen und einzigartigen Virus zu entwickeln, der Emotionen bei der Zielgruppe weckt und diese spontan begeistert.

Dabei gilt es, die Werbebotschaft des Unternehmens geschickt zu integrieren. Um das freiwillige Weiterleiten der Werbebotschaft nicht zu gefährden, sollte diese dezent getarnt sein. Die Konsumenten dürfen nicht das Gefühl bekommen, dass sie Teil einer simplen Kampagne eines Unternehmens sind, sondern ihr eigener Nutzen muss im Vordergrund stehen. Gleichzeitig muss aber sichergestellt werden, dass die Kampagne mit dem Unternehmen bzw. dessen Produkt in Verbindung ge-bracht wird. Hier die richtige Balance zu finden, ist eine schwierige Gradwanderung, aber von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Kampagne.

Aus der Vielzahl von möglichen Marketingviren möchten wir im Folgenden exemplarisch auf virale Videos eingehen. Auch provozierende oder gar schockierende virale Filme können die Aufmerksamkeit der Zielgruppe wecken, doch in der Regel versprechen lustige Filme den breitesten Erfolg. Absolut entscheidend für den Erfolg ist, dass das Unternehmen ein sensibles Gespür dafür entwickelt, welche Art Humor seine Zielgruppe besitzt.

Unternehmen und Marktforscher müssen berücksichtigen, dass sich virale Filme in der Regel deutlich von dem bekannten Schema der klassischen TV-Werbespots unterschieden. Virale Filme sind nicht selten dadurch gekennzeichnet, dass sie bewusst Grenzen überschreiten. Es wird sehr häufig mit Überraschungseffekten gearbeitet. Schadenfreude spielt ebenso häufig eine Rolle wie das Lachen über "peinliche" Charaktere oder das Schmunzeln über Situationen, die das Individuum aus seinem Alltag kennt. Wichtig ist, dass ein gewisser "Kult" erzeugt wird und dass der Film Gesprächsstoff bietet.

Oberstes Ziel ist es, dass die Internetnutzer den Film in ihr Leben tragen. Dies kann z.B. durch das Verwenden einer eigenen Sprache oder Aussprache im Film initiiert werden. So erreichte beispielsweise Budweiser mit seiner 'Whassuuuup'-Kampagne (ein TV-Spot, der sich jedoch viral im Internet verbreitete), dass männliche User sich in ihrem Alltag mit einem wie im Film betonten "What´s up?" begrüßten und so mit ihren Freunden ein lustiges Gemeinschaftsgefühl erlebten. Auch ein ungewöhnlicher Tanzstil oder eine außergewöhnliche Mode können User dazu animieren, dieses aus Spaß nachzuahmen.

Um diese Effekte zu fördern, bedienen sich Unternehmen häufig besonderer Charaktere, die sich bei der Zielgruppe schnell und intensiv einprägen (wie z.B. Terry Tate von Reebok). Dabei gibt es zwei unterschiedliche, jedoch - solange sie in die intendierte Richtung des Unternehmens gehen - gleich Erfolg versprechende Wege: entweder die Individuen identifizieren sich tatsächlich mit diesen Charakteren oder aber sie machen sich über diese lustig.

Damit die virale Marketingkampagne die Zielgruppe längere Zeit begeistert, sollten die Filme eine Vielzahl origineller und lustiger Details enthalten, so dass die User auch nach mehrmaligem Ansehen des Spots noch Neues entdecken, das ihre Begeisterung erhält bzw. sogar weiter steigert. Da die viralen Filme in der Regel mit mehr Ruhe und häufiger als normale TV-Spots angesehen werden, können sie um einiges länger sein als diese und zudem können auch versteckte Witze eingebaut werden, die sich dem Internetnutzer nicht gleich beim ersten Mal erschließen.

Das Schaffen eines dezent getarnten und dennoch hoch ansteckenden Virus ist eine schwierige Aufgabe, die viel Fingerspitzengefühl und eine sensibles Gespür für die Zielgruppe erfordert. Ist diese Hürde erst mal genommen, sind jedoch noch eine Reihe weiterer Erfolgsfaktoren zu berücksichtigen.

Wie "infiziere" ich als Unternehmen denn überhaupt die ersten Konsumenten, ohne dass diese das als simple Werbeaktion empfinden?

Den größten Erfolg verspricht eine indirekte Kontaktaufnahme des Unternehmens mit den ersten Werbeträgern. Dies kann z.B. durch das anonyme Platzieren auf so genannten Downloadportalen geschehen: Im Internet
existiert eine Vielzahl professioneller sowie privater Websites, die lustige Filme, PC-Spiele etc. sammeln. Oder aber das Unternehmen tarnt sich als privater User und berichtet in Foren von seiner Entdeckung des Marketingvirus.

Doch auch der direktere Weg des Schaltens eines neugierig machenden Fernsehspots oder einer Print-Anzeige, um Konsumenten z.B. auf eine eigens für die virale Marketingkampagne gestaltete Website zu locken, kann zur Implementierung des Marketingvirus sinnvoll sein. Allerdings sollte das Unternehmen dabei mit größter Vorsicht vorgehen und seine Intention wieder sehr dezent tarnen, damit das Gefühl der Freiwilligkeit, die Glaubwürdigkeit und der Geheimtipp-Charakter nicht verloren gehen.

Um eine gezielte Ausbreitung des Marketingvirus zu gewährleisten, sollten daher die ersten Werbeträger vom Unternehmen sorgfältig ausgewählt werden. Sie müssen der Zielgruppe des Unternehmens bzw. Produktes entsprechen, da diese anschließend das Kampagnengut selektiv weiterleiten und somit eine Verbreitung innerhalb der gewünschten Zielgruppe sehr wahrscheinlich ist.

Wichtig ist es zudem, dass unter den ersten Werbeträgern so genannte "e-fuentials" (Online-Meinungsführer) sind, da diese eine exponentielle Verbreitung der Werbebotschaft stark begünstigen.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass es eine schwierige und herausfordernde Aufgabe ist, eine Kampagne dieser Art erfolgreich durchzuführen. Gelingt dies einem Unternehmen aber, dann ist die Werbewirkung enorm.

Dennoch ist virales Marketing keineswegs ein Allheilmittel. Neben den vielseitigen Vorteilen gegenüber klassischer Werbung gibt es natürlich auch deutliche Grenzen. So ist eine virale Marketingkampagne beispielsweise nicht bei jedem Unternehmen glaubwürdig bzw. passt nicht zu jedem Produkt. Außerdem muss die Zielgruppe des Unternehmens internetaffin sein. Und virales Marketing birgt auch Gefahren: So kann es z.B. passieren, dass die Konsumenten die Werbebotschaft modifizieren und sich diese unaufhaltbar in eine ungewünschte Richtung verbreitet.

Mittels sorgfältiger Planung der Kampagne im Vorfeld können diese Risiken verhindert oder zumindest geschwächt werden. Wenn die Kampagne aber erst mal in Gang gesetzt wurde, gibt es kaum noch Eingriffsmöglichkeiten für das Unternehmen. Sie müssen daher lernen, ab einer bestimmten Stelle die Kampagne "loszulassen".

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