Was ist die Wirkung von Product Placement?

Sept. 27, 2005

Product Placement kann auf jeden Fall für eine Menge Aufregung und Ärger sorgen, so z. B. bei der ARD, die in den letzten Wochen in die Schlagzeilen geraten ist, weil sie Product Placement in der ARD-Vorabendserie 'Marienhof' nicht entdeckt habe. Die Produktionsfirma der Serie, Bavaria, soll über mehrere Jahre Drehbücher, Dialoge und Kulissen nach den Wünschen von bestimmten Unternehmen gestaltet haben, um "Schleichwerbung" für Themen und Marken zu platzieren. Beispielsweise sollen ein Last-Minute-Reisebüro, eine Sparkasse und eine bekannte deutsche Krankenkasse erkennbar - aber eben doch versteckt - in 'Marienhof'-Folgen untergebracht worden sein.

Ist "Product Placement" also gleich "Schleichwerbung"? Klären wir zunächst, was unter Product Placement zu verstehen ist! Hierzu zwei Definitionen:

(Product) Placement ist die Integration des Namens, des Produktes, der Verpackung, der Dienstleistung oder des Logos eines Markenartikels oder eines Unternehmens in den Massenmedien. (Quelle: Wikipedia.org)

Product Placement bezeichnet und umfasst die werbewirksame und zielgerichtete Integration von Markenprodukten und Dienstleistungen in den Handlungsablauf von Spielfilmen und Fernsehsendungen. (Quelle: Ahrens & Bimboese)

Product Placement bezeichnet dabei eine große Bandbreite an Möglichkeiten, von der Integration von Produkten in Filmen oder Serien (Will Smith fährt in 'I, Robot' z. B. einen Audi), der Gestaltung von Schauplätzen (Außendreh bei Karstadt), der Unterbringung von Markenlogos (Sparkassenlogo im Straßenbild), der Lancierung von Themen (Diskussion der Wichtigkeit von Altersvorsorge in einer Daily Soap) bis hin zum Spinnen kompletter Beiträge oder Sendungen um ein Produkt oder eine Marke.

Bleibt noch die Frage offen: Was macht Product Placement zur Schleichwerbung? Product Placement gilt dann als Schleichwerbung, wenn das Trennungsgebot (nach EU-Richtlinien) übergangen wird, demzufolge muss Werbung und Programm so getrennt sein, dass der Zuschauer dies wahrnehmen kann. Product Placement bewegt sich damit am Rande der Rechtslage, weil hier gerade "Werbung" möglichst harmonisch ins TV-Programm integriert werden soll.

Dahinter steckt die Hoffnung der Product Placer, dass Product Placement womöglich wirksamer als TV Spots sind. Untersuchungen zeigen zwar, dass "nur" 30 % der Zuschauer in der Werbeinsel umschalten, aber wie viele Zuschauer in der Werbepause zur Toilette gehen, sich etwas zu Essen holen, etc., kann niemand ganz genau sagen (vgl. MI-Ergebnis-Highlights auf S. 12). Bei Product Placement kann man sich sicher sein: Der Zuschauer schaut relativ aufmerksam zu.

Und wann ist Product Placement erlaubt? Wenn man es inhaltlich und dramaturgisch begründen kann! Zugegeben, das hört sich ganz schön schwammig an, und ist in der Praxis auch tatsächlich immer eine schmale Gratwanderung, bei der die Landesmedienanstalten jeweils im Einzelfall entscheiden, ob sie Schleichwerbung beanstanden oder nicht. Dabei berücksichtigen sie auch das "Gewohnheitsrecht", z.B. dass der Hemdkragen eines Fußballtrainers aus Gewohnheit voll von Werbung ist, oder Tempo mittlerweile ein Gattungsbegriff ist. Ein Protagonist X in 'Marienhof' darf also ungestraft fragen: "Hast Du mal ein Tempo?" Er darf aber nicht fragen: "Hast Du mal eines dieser wunderbar weichen Softis, die es jetzt bei Tengelmann im Angebot für 1,49 Euro gibt?"

Eines jedenfalls ist sicher: Product Placement wächst! Den Umsatz in Deutschland schätzt man auf etwa 50 bis 250 Milliarden Euro pro Jahr. Ähnlich wie in den USA (wo man zweistellige Zuwachsraten verzeichnet) boomt Product Placement und wird an Bedeutung noch gewinnen. Hintergrund dieser Entwicklung ist das Schrumpfen der klassischen Werbeeinnahmen durch TV-Spots. RTL z. B. erzielt 72 % seiner Einnahmen aus TV-Spots. So müssen v.a. Privatsender nach alternativen Einnahmequellen suchen. Digitale Spartensender wie TV Gusto erzielen übrigens so gut wie keine Spoteinnahmen - man darf sich fragen, wie sich der Sender überhaupt finanziert.

Kommen wir zur Frage: Wie wirkt Product Placement - und zwar auf den Zuschauer? Und wie stellt man den Erfolg von Product Placement fest, misst also dessen Wirkung? Zunächst könnte man auf übliche Parameter der Werbewirkung wie Marken- oder Produktrecall zurückgreifen. Dabei ergibt sich aber die Frage, ob ein hoher oder ein niedriger Recall wünschenswert ist. Ist es beabsichtigt oder gerade zu vermeiden, dass sich Zuschauer daran erinnern können, z.B. Levi's-Jeans in GZSZ gesehen zu haben?

In der Beantwortung dieser Frage ist man sich nicht einig, sie hängt nämlich von der Vorstellung ab, die man sich von psychischen Prozessen der TV-/Filmrezeption und des Kaufverhaltens macht. Entscheidet der gewöhnliche Konsument bewusst über seinen Einkauf, oder ist die Markenwahl unbewusst getrieben, d.h. ohne dass der Konsument etwas davon mitbekommt? Wissen wir im Grunde gar nicht, was wir kaufen? Wenn die letztere Vorstellung zutreffen sollte, dann wäre ein hoher Recall ein nicht erstrebenswertes Ziel von Product Placement. Ein Zitat verdeutlich diese Position:

Durch eine starke redaktionelle Integration soll der Einsatz von Product Placement zufällig wirken, um so Abwehr- und Filterreaktionen bei den Zuschauern zu unterbinden. (Quelle: Ahrens & Bimboese)

Die Angelegenheit erweist sich jedoch als noch komplizierter. Ist Werbewirkung gegeben, wenn sich Zuschauer erinnern - bzw. genauer gesagt entdeckt haben - dass für eine bestimmte Marke geworben wurde - oder ist ein hoher "Recall" als Reaktanz zu deuten, d.h. ein bewusstes Zur-Wehr-Setzen gegen die "Schleichwerbung"?

Ansatzweise lösen könnte man dieses Dilemma, wenn man in einem Pre- und Posttestdesign, d.h. je zur Hälfte Personen vor und nach der Ausstrahlung befragt, welche Anbieter einer bestimmten Produktwelt ihnen einfallen und welche für sie zum Relevant Set gehören. Erhöhen sich Bekanntheit und Zugehörigkeit zum Relevant Set der entsprechenden Marke von der Pre- zur Postmessung, kann man von einer erfolgreichen Wirkung des Product Placements ausgehen (falls Pre- und Postmessung zeitlich nicht zu weit auseinander liegen). Für dieses Studiendesign wird eine große Stichprobe und dementsprechend ein gewisses Budget benötigt. Damit kommen wir zur Frage, ob sich das überhaupt alles lohnt - Product Placement ist nämlich nicht extrem kostspielig.

Die Frage der Werbewirkung von Product Placement sollte man meines Erachtens weiter fassen (was ich hier nur ansatzwei-
se tun kann), hierbei spielt z. B. eine Rolle: Welche Kontexte (Formate, Settings, Handlungen) haben eine positive Imagewirkung für die platzierte Marke? Welche Kontexte greifen die Verwendungsmotivation eines platzierten Produkts so auf, dass Begehrlichkeiten geweckt werden? Aber auch: Welche Imagewirkung übt das platzierte Produkt bzw. die platzierte Marke auf die Wahrnehmung des Formats und des Senders aus? Wenn für Produkt, Marke, Format oder Sender negative Imagewirkungen entstehen, kann dies nämlich weitaus kostspieliger sein als eine vorherige Studie zur Abschätzung der (Werbe-) Wirkungen des beabsichtigten Product Placements.

Abschließend möchte ich nur noch auf die möglichen Neuwahlen zum Bundestag im Herbst diesen Jahres hinweisen. Achten Sie einmal darauf, wenn ab 18:00 Uhr Hochrechnungen eingeblendet werden. Welches Computerlogo entdecken Sie da ganz klein?


27. September 2005

Wie Saudi-Arabien versucht, seine Fußball-Liga mit teuer eingekauften Stars aufzuwerten.
von Marco Kewe 12 Dez., 2023
Spätestens seit der Verpflichtung von Cristiano Ronaldo wurde klar, dass Saudi-Arabien es ernst meint mit den Ambitionen, seine Liga mit internationalen Stars aufzuwerten. Neben diesem 200-Millionen-Dollar-Deal folgten weitere Hochkaräter wie Neymar und Benzema in das Land am Golf, das über ein Budget von 907 Millionen US-Dollar verfügt und nur noch von der englischen Premier League (1,93 Milliarden US-Dollar) übertroffen wird. Ein ähnliches Kaliber weisen die so verpflichteten Social-Media-Reichweiten auf; allein Ronaldo und Neymar erreichen auf ihren Instagram-Kanälen gemeinsam rund 10 % der Weltbevölkerung.
von Florian Klockmann 08 Sept., 2023
Der schon seit einigen Jahren beobachtbare Podcast-Trend hat sich endgültig zu einer der populärsten und rasant wachsenden Formen digitaler Medien entwickelt. Die digitalen Audio- oder Videoinhalte bieten eine immer breitere Palette an Themen. Sie reichen von Nachrichten über Bildung bis hin zu Unterhaltung und Lifestyle und erreichen durch die vielseitigen und flexiblen Möglichkeiten, Inhalte zu konsumieren, eine immer größere Zielgruppe, unter anderem durch die stetige Entwicklung der Kommunikationstechnologie im Allgemeinen.
von Florian Klockmann 06 Apr., 2023
Das Thema psychische Gesundheit hat spätestens seit der Corona-Pandemie einen gesellschaftlichen Wandel durchlebt. Die allgegenwärtig spürbaren Belastungen wie Stress, Ängste und Isolation sowie erschwerte Arbeitsbedingungen haben enttabuisiert, was lange Zeit oft im Verborgenen besprochen wurde.
von Florian Klockmann 23 Nov., 2022
So richtige WM-Stimmung scheint bisher nicht aufkommen zu wollen. Sowohl die früher sehr beliebten Auto-Fähnchen als auch andere Fanartikel wie Trikots bleiben in den Regalen liegen oder schaffen es wie in den Fällen von Aldi oder Edeka erst gar nicht ins Sortiment. Das Eröffnungsspiel schauten nur gut halb so viele Deutsche wir vor 4 Jahren. Doch was genau sind die Beweggründe, die dieses vermeintliche Desinteresse auslösen?
von Marco Kewe 08 Nov., 2022
American Football ist in den letzten Jahren in immer mehr deutschen Wohnzimmern angekommen. Die wertvollste Sportliga der Welt hat längst ihre Fühler auf dem deutschen Markt ausgestreckt. Ein NFL Deutschland Headquarter wurde etabliert und insgesamt vier Teams bekamen zusätzliche Vermarktungsrechte speziell für den deutschen Markt. Wie sind deutsche Sportinteressierte zum Football gekommen? Was macht die Faszination dieses Sports aus? Wo geht die Reise der NFL weiter hin?
Marco Kewe übernimmt die Führungsverantwortung von Wolfgang Schlünzen
von Karin Krutwig 30 Aug., 2022
Der Gründer des Markt- und Medienforschungsinstituts Monheimer Institut Team für Markt- und Medienforschung GmbH (Monheimer Institut), Wolfgang Schlünzen, zieht sich zum Jahreswechsel aus der Geschäftsleitung des Unternehmens zurück. Seine Nachfolge an der Spitze des Instituts übernimmt der langjährige Studienleiter Marco Kewe, der bereits seit Anfang 2022 die Position des stellvertretenden Geschäftsführers innehat. Wolfgang Schlünzen bleibt dem Unternehmen weiter als Gesellschafter verbunden, während das operative Geschäft dann ausschließlich von Marco Kewe und seinem Team verantwortet wird.
von Florian Klockmann 03 Aug., 2022
Baumärkte, die in Corona-Zeiten zum Teil erhebliche finanzielle Zuwächse erzielt haben, sehen sich aktuell einer anspruchsvollen Situation gegenüber. Die Kundenwünsche werden immer vielfältiger, vor allem in punkto Service. Baumärkte müssen zudem damit leben, dass Kunden-Feedback zu ihren Geschäften, ihren Mitarbeiter:innen und ihren Angeboten auf diversen Online-Plattformen verfügbar ist. In einer Onlinebefragung unter 1.000 Baumarktkund:innen im Alter von 18 bis 69 Jahren ließen sich dazu einige interessante Erkenntnisse ermitteln.
von Marco Kewe 17 Mai, 2022
Nach zwei langen und harten Pandemiejahren scheint in diesem Jahr bei vielen das altbekannte Reisefieber wieder ausgebrochen zu sein und die 'Reiseweltmeister' möchten die Welt wieder erkunden. Was sind die Top-Reiseziele? Hat sich etwas geändert hinsichtlich Anforderungen und v.a. Preisbereitschaft im Vergleich zu 2019 und den coronafreien Jahren davor? Mit u.a. diesen Fragen hat sich das Monheimer Institut im April 2022 in einer bundesweiten Onlinebefragung (1.000 Personen im Alter von 18 bis 69 Jahren) beschäftigt.
Kryptowährung
von Marco Kewe 16 Nov., 2021
Kryptowährungen sind in Zeiten von Negativzinsen, coronabedingten Finanzmarktschwankungen und global fortschreitender Digitalisierung ein viel diskutiertes Thema in Deutschland. Für viele stellt sich dabei zunächst einmal die Frage, wer oder was sind Kryptowährungen überhaupt? Mit u.a. dieser Frage hat sich das Monheimer Institut im Oktober 2021 in einer bundesweiten Onlinebefragung (500 Personen im Alter von 18 bis 69 Jahren) beschäftigt.
Weitere Artikel
Share by: